M.Escherich gegründet 1688
Der Name Escherich tritt schon um 1445 im Würzburger Raum auf (2), fast ebensolange läßt er sich in Thüringen nachweisen. In der Jahresrechnung des > Amtes Schwarzwald 1537 < wird Kunz Escherich aus Geschwenn ( Geschwenda) genannt, der für 15 Klafter Holz 3 Gulden und 7 Groschen zahlte. Der Ort liegt am Nordostabhang des Thüringer Waldes. Der Name Escherich (Eschrich) ist dort schon im 16.Jahrhundert einer der häufigsten Familiennamen gewesen (3).
Wald- und Holzarbeiten, Harzscharren, Pechsieden, Kienrußbrennen und der Handel mit diesen Erzeugnissen bis Hamburg, Bremen, in die Rheinlande und nach Holland hin gaben der Bevölkerung ihren Erwerb. Es ist anzunehmen, daß der Name Escherich - Aescherich, wie er auch gelegentlich geschrieben wurde, mit dem Aschebrennen zu tun hatte. Holzasche wurde zur Glasherstellung, zum Gerben, zumSeifensieden und zu anderen Zwecken benötigt.
In dem Geschwenda benachbartem Ort Gräfenroda tauchte der Name Escherich erst im 17.Jahrhundert mit Johannis Escherich auf, der ein kleiner Ackerbürger war und Haus, Scheuer und Schweinestall am Ortsausgang in Richtung Liebenstein besaß. Vielleicht betrieb er daneben einen Hausierhandel, denn sein ältester Sohn Leonhard wurde, als er im Frühjahr 1697 in Kassel war, > Handelsmann < genannt. Beide, der Vater Johannis und dieser Sohn Leonhard, liehen von der Kirche in Gräfenroda Geld. So Johannis Escherich im Jahre 1673 sechs Thaler,die er erst 1698,ein Jahr vor seinem Tode, zurückzahlte.
Glashändler in Kassel
Matthäus, der am 8.Dezember 1656 in Gräfenroda geborene zweite Sohn des Johannis Escherich, erlernte das Gürtlerhandwerk. Derbe Fuhrmannsgürtel mit kräftiger Geldkatze wird er angefertigt haben. Dann ist er aus den engen Verhältnissen seiner Heimat fortgewandert. Zu Beginn des Jahres 1688 ließ er sich, zweiunddreisigjährig, in Kassel als Bürger aufnehmen. Für > Ausländer < war das nicht einfach, er mußte nicht nur > Jahr und Tag < (mindestens 1 Jahr und 6 Wochen) in der Stadt gewesen sein, sondern auch - wenn er nicht Hugenotte war - neben der Zahlung eines höheren Bürgergeldes ein gewisses Kapital nachweisen.
Bei seiner Heirat am 28.Mai 1688 (Kirchenbuch Altstadt) wird Matthäus Escherich zum erstenmal als > Glashändler < bezeichnet, Er heiratete Elisabeth Deimel, die Tochter des Lohgerbers Elias Deimel und der Anna Martha Gläßner. Durch diese Heirat verband sich Matthäus einem Familienkreis, der teilweise schon seit dem 16.Jahrhundert in Kassel ansässig war, der Ratsmitglieder stellte und durch Haus- und Grundbesitz eine gesicherte Lebensgrundlage besaß. (Durch 4 Generationen, bis 1801, heirateten die Escherichs immerwieder in die Gläßner-Familie bzw. deren Nachkommen!)
Um 1688 wird Matthäus das Haus in der Kleinen Herrengasse gekauft oder aus Deimelschem Besitz übernommen haben. 1707 wird der Wert des Hauses im Steuerkataster mit 1000 Rthl. angegeben. Dieses Haus blieb bis 1943 - bis zur Vernichtung durch den Krieg bei wechselnder Straßenbenennung - das Geschäftshaus und bis 1884 auch zugleich das Wohnhaus der Glashändler Escherich.
Landgraf Carl ließ für die aufgenommenen Hugenotten die Oberneustadt erbauen, er förderte die Industrie und den Handel. Dabei war man, dem Merkantilsystem entsprechend, bemüht, das Geld im Lande zu halten und den Absatz der eigenen Industrie innerhalb des Landes und über Hessens Grenzen hinaus zu fördern. Die glänzende Hofhaltung brachte in Kassel das Geld in Umlauf. Die schon seit dem 15.Jahrhundert in den hessischen Wäldern arbeitende Glasindustrie bedeutete für den Landgrafen eine gute Einnahme. Als Grundherr der Wälder erhielt er einen jährlichen Hüttenzins und für seinen Hof jährliche Lieferungen an Glaswaren von den Hüttenmeistern und Pächtern der Glashütten. Dazu mußte ein pauschales Forstgeld für die Holznutzung gezahlt werden, das erst im 17.-18.Jahrhundert nach dem tatsächlichen Klafterverbrauch an Holz aufgerechnet wurde.
Ferner mußten dem Landgrafen die Rohstoffe, wie Ton, Ofenstein, Salz und Alaun, abgekauft werden. Die Glasmeister hatten anfangs von den Hütten aus selbst den Verkauf der Glaswaren besorgt. Später kamen hessische Kaufleute und Händler zu den Hütten, um das Glas dort einzukaufen und im Inland, in ihren Heimatorten und auf Messen und Märkten weiter zu verkaufen. Voraussetzung war allerdings, daß an dem jeweiligen Ort keine Zunft der Fenstermacher und Glaser bestand, wie etwa in Marburg. In Kassel gab es 1688 keine solche Zunft. Der Glasverkauf in das Ausland blieb das alleinige Vorrecht der Glasmeister auf den Hütten.
Apotheker, Kammerdiener, Glasschneider, Glasmeister und der Hoffenstermacher werden in den > Cabinettsrechnungen < von 1673 bis 1705 als Glaslieferanten am Kasseler Hof genannt (4). Aber es fand sich auch ein Beleg (5), daß die fürstliche Rentkammer gegen einen > gewissen jährlichen Zins < eine besondere Handelserlaubnis erteilte. In diesem Fall 1658 an Matthias Schlüter aus Kassel gegen eine Zahlung von jährlich 10 Gulden die Erlaubnis, auf den Hochzeiten in den drei Kasseler Ämtern Hochzeitsschüsseln, Krucken, Schellen und Gläser zu verkaufen. Kaum hatte allerdings Schlüter Kassel verlassen, so ließ sich sein Beauftragter - Hans Keuting aus Kassel - diese Handelserlaubnis persönlich übertragen gegen die Zusicherung, künftig 12 Gulden jährlich zahlen zu wollen. Am 3.Februar 1711 wurde dem Dr. Joseph Anton Faber vom Landgrafen sogar ein Privileg für den alleinigen Glashandel im Land Hessen gegeben. An die Grenzbeamten in Kassel, Witzenhausen, Allendorf, Eschwege, Wanfried, Vacha, Hersfeld, Frauensee und Marburg erging die Verfügung, daß sie kein fremdes Glas aus Böhmen, Thüringen oder woher immer, einlassen sollten. Dr.Faber würde durch seine Glashütte in Altmünden das Land allein damit versorgen (6).
Gute Beziehungen zu den Glasmeistern in Hessens Wäldern waren für Matthäus Escherich eine Voraussetzung, um seine Glaswaren zu beschaffen. Dabei waren die Glasmeister - wie noch 100 Jahre später in einem Regierungsgutachten betont wurde - > ungebildeter und roher als andere Leute ihrer Art und bei ihrem guten Verdienste ziemlich verwegen < (7). Die auf den Hütten eingekaufte Ware wurde durch Träger oder, wenn fahrbare Wege vorhanden waren, durch die Fuhrleute nach Kassel geschafft. Verpackt wurden die Glaswaren in > Strohe oder Schauben < (8). Der Bruch ging zu Lasten des Kaufmanns oder Händlers, Fehler im Glas gingen zu Lasten des Glasmeisters. Am 27.April 1702 unterschrieb Matthäus Escherich als Zeuge eine Cammercaution des damaligen Altmünder Glasmeisters Andreas Gundlach (9). Solche Cautionen verlangte der Landgraf zur Sicherung seiner Forderungen von allen, die im Pachtgelder oder den Gegenwert für Waren schuldeten.
1 Fuder entsprach der ladung, die ein ein-oder zweispänniger Wagen transportieren konnte. ( ca 950 Liter )
Der große Holzbedarf der Hütten, der um 1715 im Jahr etwa 600 Klafter ( ca 2000 Raummeter ) für eine Glashütte betrug, führte leicht zu Streitigkeiten zwischen den Förstern und den Glasmeistern. Einer erhalten gebliebenen Akte (11) > Beschwerden wider den Pächter der Altmündener Glashütte Dr. Faber und wider den dortigen Förster W. Wigand < entnehmen wir Nachrichten über den Glashändler Matthäus Escherich.
In der Anklageschrift wurde Dr. Faber, obwohl es sich eigentlich um Holzfrevel handelte, an erster Stelle ein Vorwurf gemacht, der wohl dem Landgrafen persönlich am wichtigsten erschien. Dr. Faber habe nicht nur seine Pacht noch nicht bezahlt, sondern auch die vereinbarten Gläser nicht direkt an die fürstliche Kellerei, sondern > an Matthias Eschern auffm Brinck allhier gegen baare Bezahlung geliefert, der folglich die fstl. Hofstadt mit Glaswaren, vermutlich nicht sonder profit weiter versehen <. Dem entgegnete Dr. Faber am 2. April 1717 in einem Verhör zu Siegburg : > ... und was die zur Hofstadt gelieferten Gläser concerniere, so hätte er dieselben durch seinen zu Cassel gehabten Faktor Escherig, und zwar auf Befehl und getanen Vorschlag des jetzigen Herrn Hofmarschall, damaligen Oberschenken von Lüderitzen Genehmhaltung allemahl geliefert <. Von dem > Profit < ist nicht mehr die Rede (12).
Alles war in Kassel durch die bevormundende Obrigkeit geregelt. So erließ die Regierung 1708 eine Verordnung wegen des Verkaufs der Waren nach einer bestimmten Gewinntaxe (13). Es wurden darin alle im Lande befindlichen Krämer, Gewandschneider und Kaufleute darauf hingewiesen, daß sie, nach allem Abzug, nicht mehr als den 8. Heller als Gewinn haben sollten. Das entspricht einer Gewinnspanne von 12 1/2 %!
Jeder sollte in Zukunft Handbücher führen und die beglaubigten Einkaufsscheine der Polizei oder den prüfenden Beamten vorlegen können, oder auch durch einen > leiblichen Eid < den verlangten Nachweis erbringen. - - Bei einer Durchsicht der monatlichen Cabinettsrechnung (14) fällt das Mißverhältnis der Preise besonders auf, wenn es sich um Lieferungen zum Raritätenkabinett handelt : Bernstei, Muscheln und Steindrusen etwa. Oder, um einige Beispiele zu nennen : 12. Januar 1711 > vor ein geschnittenes gläsernes Körbchen, so der Opticus Johann Andreas Zahn untertänigst geliefert 28 Thaler < - - - > 29. April 1711 vor gelieferte 52 Trinkgläser an Dr. Faber 32 Thaler <.
Matthäus Escherich lieferte in diesen Jahren nicht nur die Waren für Dr. Faber an den Hof, sondern auch im eigenen Auftrag und Namen Gläser zur Anatomie, zum Laboratorium in Rudlph Dicks Haus (1716) und Glaswaren für optische Sachen.
Da der Hof langsam zahlte, bis zu zwei Jahre nach der Lieferung, werden solche Verkäufe zwar die Bezeichnung > Glaslieferer allhier am Hof < (bei Patenteintragungen nach 1711), aber sonst nur wenig eingetragen haben. Escherich wird besonders die Fenstermacher und die Kasseler Einwohner beliefert haben. Im Laternenbuch (15) wird er als Krämer bezeichnet, das deutet auf den Einzelverkauf in seinem Hause.
Der Glashandel allein konnte gewiß nicht den Lebensunterhalt sichern, zumal der Handel mit Fensterglas angeblich nur im Herbst und im Frühling je ein Stoßgeschäft brachte.
Im Steuerkataster von 1707 (16) wird Matthäus Escherich als Seifensieder bezeichnet, ein Gewerbe, das seine Schwiegermutter als Witwe auch betrieb und das nicht zunftpflichtig war. Aus dem Todesjahr -1728- von Matthäus ist ein Band : > Einnahme, Zoll, Zeysse und anderes in der Stadt Kassel < erhalten (17).
Nach diesem Buch versandten 1728 aus Kassel Glas : der Glasschneider Trümper, Johannes Schön und die Kaufleute Ritter und H. Weidemann. Dagegen versandte Matthäus Escherich insgesamt 71 Ballen Druckpapier und 7 Ballen Schreibpapier nach Münden.
Escherich wurde in den Steuerbüchern der Stadt Kassel (18) der Altstadt, nicht einem Gewerbe zugeordnet und dabei stets als Glashändler bezeichnet. Das zeigt, daß er keiner Zunft angehörte. Die Steuersumme - Contribution - setzte sich aus verschiedenen Posten zusammen : Hausbesitz, Gärten, Äcker, Wiesen, Pferde und Kühe wurden bewertet, dazu kam das ausgeübte Gewerbe in Anschlag und gegebenenfalls eine Gebühr für das Braurecht.
In begründeten Fällen (Alter) konnte der Betrag für das Gewerbe herabgesetzt werden. Die Contributionssumme von 1 Thaler, 21 Albus und 4 Heller läßt sich für Matthäus Escherich nicht mehr aufschlüsseln, es kann nur durch einen Vergleich festgestellt werden, daß es ein nicht geringer Betrag war. Diese Summe wurde seinerzeit etwa von der Mittelgruppe der Hansegreben gezahlt.
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